Lengerich - stilles Dorf

Eine Beschreibung aus dem August des Jahres 1940

Das Dorf Lengerich liegt ziemlich abgeschlossen vom Weltverkehr, 13 km von Lingen, 9 km von Freren, vom Reichseisenbahnnetz entfernt, in einer, sandigen, jedoch nicht unfruchtbaren, leicht gewellten freundlichen Niederung. Ein Autobusverkehr nach Lingen und die Kleinbahn Lingen - Quakenbrück bei Gersten verbinden Dorf und Umgebung mit der Außenwelt. Das Dorf selbst, mit der stattlichen, um 1870 erbauten gotischen Pfarrkirche sowie der altehrwürdigen, aus dem 13. Jahrhundert stammenden früheren katholischen, jetzt evangelischen Pfarrkirche, letztere umgeben mit hohen prächtigen Lindenbäumen, bietet dem Besucher von einer Bodenerhöhung aus ein lieblich-anmutiges Bild.

Der Kirchplatz der alten Kirche, der noch einige fast verwitterte Denkmäler der früheren katholischen Begräbnisstätte zeigt, ist an der Nordseite mit einer alten bodenständigen Kirchhofmauer begrenzt. Kleine, niedrige Häuser ducken sich, gleichsam wie Küken unter der Henne Schutz suchend, um das alte, prächtige Gotteshaus. Der schlanke, mit Kupferplatten bedeckte, weit in das Emsland hinzuschaffende Turm der katholischen Kirche besitzt ein herrliches Glockengeläute, das bedauerlicherweise nur spärlich die jubelnden Stimmen erschallen läßt. Selbst am Vorabend hoher Festtage ist es Brauch, nur kurze Zeit die harmonisch-schön klingenden Glockentöne zu hören, so daß den Pfarrangehörigen die Schönheit des Geläutes und die Bedeutung des jeweiligen Festes kaum zu Bewußtsein kommt.

Das Straßenbild des Dorfes ist, obschon alle Bewohner mehr oder weniger Landwirtschaft betreiben, nicht unsauber. Stimmungsvoll ist der Marktplatz mit der eigenartigen Linde, das ansehnliche Kriegerdenkmal und im seitlichen Hintergrund der wuchtige Turm der alten Kirche, das schönste Wahrzeichen von Lengerich. Alte Fachwerkhäuser finden sich nur noch vereinzelt vor. Auf dem Platz, wo früher die Anfang vorigen Jahrhunderts abgebrochene Burg Lengerich mit den sich anschließenden, jetzt noch vorhandenen Eichenalleen stand, die damals dem Dorf ein besonderes Gepräge gaben, ist das neue Krankenhaus errichtet worden.


Reich an Naturschönheiten

Die nähere Umgebung von Lengerich ist reich an ländlicher Naturschönheit. Zunächst die ausgedehnten Waldungen des Grafen von Droste-Vischering in nächster Nähe des Dorfes, die vermutlich früher zum Besitztum der Burg Lengerich gehörten. Der abwechselnde Baumbestand und die stillen, verzweigten Wege erwecken den Eindruck eines größeren Parkes. Die Dorfbewohner feiern unter prächtigen hohen Eichen und Buchen ihre schönen Volksfeste, besonders das beliebte Schützenfest, woran sich die ganze Bürgerschaft, jung und alt, beteiligt.

In der Gemeinde Lengerich sind Plätze und Orte vorhanden, die durch ihre bodenständige Eigenart berechtigt sind, unter Naturschutz gestellt zu werden. Hierzu gehören einige noch vorhandene Mühlen, verschiedene Heideplätze, das Valler-Moor, bemerkenswerte Baumgruppen und sonstige Punkte, die noch aus der Urzeit stammen. Ein Erholungsbedürftiger, der für einige Zeit in Lengerich weilt, wird erstaunt sein über die vielen in abwechselnder Gestaltung vorhandenen Spazierwege, die Dorf- und Landgemeinde verbinden. - In den Bauernschaften zeugen viele große und stattliche Bauernhäuser von dem durch Arbeitsamkeit und Fleiß erworbenen Wohlstand der Bewohner. Eine ganze Anzahl findet sich noch vor in altniedersächsischer Bauweise; prachtvolle Fachwerkgiebel, Einfahrtstore mit geschnitzter Umrahmung und köstlichen Inschriften, bemooste altersgraue Strohdächer. Doch auch manche ärmliche, sehr primitiven und baufälligen Heuerhäuser sind typische Erscheinungen im Emslandbild.

An den Wegen und Landstraßen stehen hin und wieder, vielleicht unbeachtet, alte Wegekreuze in roher, unbeholfener Form aus grauer Vorzeit, zur Erinnerung eines Unglücksfalles oder eines dort stattgefundenen Verbrechens.

Abgesehen von vielen größeren Bauernhöfen, umgeben von prächtigen Eichen und Buchen, ist ein Laubholzwald in der Gemeinde Lengerich nur spärlich vertreten; wohl gibt es ausgedehnte Tannen- und Kiefernbestände.


Alte romantische Wassermühle

Eine alte romantische Wassermühle, Ramings Mühle, sei noch erwähnt. Unter hohen Bäumen liegt in einer Niederung, malerisch traumhaft gebettet, die alte Wassermühle, die zeitweise noch in voller Tätigkeit ist. Ein größerer Staudeich führt der tiefer liegenden Mühle das benötigte Wasser rauschend zu. Ächzend und stöhnend dreht sich das große Mühlrad schwerfällig um seine Achse. Sprühend im goldenen Sonnenstrahl, dröhnend das alte bemooste Rad überstürzend, ergießen sich die Wasser unter fortwährendem Getöse in den unteren tiefen Mühlenkolk. Ein Bild, vielleicht wenig beachtet, doch voller Poesie, ein Bild rastloser Tätigkeit inmitten stiller Waldeinsamkeit und beschaulicher Ruhe.

Lengerich ist zwar ein stilles, ruhiges Dorf. Doch hat es Anspruch, unter den vielen mit zu den schönsten des weiten Emslandes gezählt zu werden. Schon hinsichtlich seiner geschichtlichen Vergangenheit ist es berechtigt, vor vielen Gemeindewesen des Landes hervorgehoben zu werden.


Diese Dorfbeschreibung stammt aus der Feder des inzwischen verstorbenen Kunstschmiedes Alex Weischer aus Lüdinghausen, dessen Frau, eine geborene Röbbemann, aus Lengerich stammte.


Quelle:
Lingener Tagespost vom 27. November 1967
Informationsblatt der Samtgemeinde Lengerich - Nr. 40, Lengerich Juli 1981





Wer hat seine Beobachtungen aufgeschrieben ?


Quelle: www.heimatarchiv.de zurück